Nachkriegsarchitektur in Nordrhein-Westfalen

 

Bochum - Ein Konzept für die neue Innenstadt

Text und Fotografien: Annika Gorges

Für den Wiederaufbau der Bochumer Innenstadt wurde ab 1947 vom Baudezernenten Clemens Massenberg und seinen Mitarbeitern das Model der "Sternstadt mit Trabanten" gewählt. Sie sich entscheiden damit, das Stadtkonzept aus der Vorkriegszeit wieder aufzunehmen und fortzuführen: Demnach fungiert die Innenstadt, in der ein einheitliches architektonisches Gesamtkonzept herrscht, als Zentrum und wird mittels Grünflächen von den Siedlung-, Industrie- und Gewerbegebieten getrennt. In den 1920er Jahren entstand durch die Eingemeindung umliegender Städte in den Jahren 1904, 1926 und 1929 die "Sternstadt". Die heutige Bochumer Innenstadt ist diese Sternstadt und die Zentren der umliegenden Stadteile bilden Trabanten, die durch das Verkehrsnetz an sie angeschlossen sind. Zwar sollte die Innenstadt zum Schwerpunkt des öffentlichen Lebens werden, allerdings wurde eine Verödung der jeweiligen Stadtkerne verhindert, indem man sicher stellte, dass dort nach wie vor alle Erledigungen des öffentlichen Bedarfs vorgenommen werden können.

Durch dieses Vorgehen und durch die Wahl eines Konzeptes, welches eine Modifikation der Gartenstadt ist, wollte Massenberg ein besseres Belichtungs- und Belüftungssystem als es in der Vorkriegszeit in der Stadt existierte, installieren. Er entzerrte das Bochumer Stadtbild und schuf damit gleichzeitig eine Abgrenzung sowohl gegen das architektonische Chaos, welches lange Zeit vorherrschte, als auch gegen die streng durchorganisierten Pläne für den Wiederaufbau, welchen die Nationalsozialisten für die Gauhauptstadt Bochum vorgesehen hatten.

Massenbergs Konzept und seine Ausführung

In seinem Neuordnungsplan der Innenstadt Bochum vom 1. Oktober 1948 stellten Massenberg und seine Mitarbeiter ihr Konzept vor. Neben der bereits genannten modifizierten Gartenstadt sah es unter anderem eine Wiederaufnahme der Blockrandbebauung sowie eine Verbreiterung der Straßen von durchschnittlich 16 auf 32 Meter vor. Sie sollten so im Falle eines Krieges bessere Fluchtmöglichkeiten für die Bevölkerung bieten. Außerdem entschied Massenberg, dass es statt der drei Bahnhöfe, die seit 1874 die Innenstadt eingeschlossen hatten, einen zentralen Bahnhof geben sollte.

In der Innenstadt mussten sich die Bauherren und Architekten nun an einige Vorschriften für ihre Gebäude halten. So wurde für die Innenstadt festgelegt, dass über einem Isoliergeschoss ein Flachdach liegen musste und hochrechteckige Fassadenformen mit regelmäßigen Anordnungen von Risalitbauten an den Straßenwänden errichtet werden sollten. In allen anderen Punkten war man frei in der Gestaltung der Gebäude. Dieses Miteinander von Vorgaben und Freiheiten sorgte dafür, dass sich in der Innenstadt trotz einer Formenvielfalt, ein geschlossenes System entwickelte, welches dieses Gebiet von den Anderen klar sichtbar abgrenzte.

Trotz Massenbergs frühem Tod im Jahre 1954 wurde sein Konzept für die Bochumer Innenstadt bis in die 1960er Jahre fortgeführt. 1957 fand die Einweihung des Zentralbahnhofs statt und 1960 wurde das letzte Stück des Innenstadtverkehrs übergeben. Bis 1960 gab es 110.000 Wohnungen mit einem besseren Standard als in der Vorkriegszeit. Auch nahm der geschaffene Wohnraum deutlich zu: 1939 gab es nur 92.000 Wohnungen, von denen 69.000 im Krieg zerstört worden waren.

Der Erfolg bei der Umsetzung von Maasenbergs Plan ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass mit Josef Hellgrund, der bis 1973 das Planungsamt leitet, eine personelle Kontinuität herrschte, aufgrund der es nicht zu neuen Konzeptentwürfen kam.

Wiederaufbau und Ausbau der Verkehrswege

Bereits vor dem zweiten Weltkrieg waren Bochums Straßen dem stark angestiegenen Verkehrsfluss nicht mehr gewachsen. Zu enge Straßen sorgten für eine deutliche Überbelastung. Mit dem Wiederaufbau sollte die Innenstadt durch ihre Kaufhäuser und modernen Geschäfte die Menschen aus den anderen Stadtteilen in das Zentrum ziehen, auch vor diesem Hintergrund musste das Verkehrsnetz auf Massenverkehr ausgelegt werden. Dies bedeutete, dass die damaligen Hauptstraßen erheblich verbreitert wurden. Außerdem setzte Maasenberg die bereits seit 1913 bestehenden Pläne für einen Ring um die Innenstadt um und wagte es hierfür sogar, vom Krieg verschonte Gebäude abzureißen. Der Nordteil des Ringes, der ein bewohntes Gebiet durchschneidet, wurde als letztes fertig gestellt. Bevor jedoch auch nur an eine Ringstraße gedacht werden konnte, mussten die bereits bestehenden Straßen wieder hergestellt werden. Als erstes wurde die Kortumstraße wieder aufgebaut, an der sich Geschäfte und Büros orientierten, 1952 die Straßenkreuzung Bongard - Viktoriastraße. Nun begann man den Bau des Ringes und widmete sich den übrigen Verkehrsprojekten.

 

Literatur

Hanke, Hans H. (1992): Bochum. Glückauf der neuen Stadt. In: von Beyne, Klaus (Hg.): Neue Städte aus Ruinen - Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit. München, S. 148-163.

Wolcke, Irmtraud-Dietlinde (1968): Die Entwicklung der Bochumer Innenstadt. Kiel.

Hellrung, Josef (1968): Die neue Bochumer Stadtmitte. In: Stadt Bochum(Hg.): Bochum. Bochum, S. 9-12.