Michaelskirche Langendreer
Text und Fotografien: Alexandra Klei
Die 1970 im Bochumer Stadtteil Langendreer eingeweihte Michaelskirche liegt am Birkhuhnweg 2, einer ruhigen Wohngebietsstraße. Dem von der Straße leicht zurück gesetzten Gebäudekomplex sind seine Entstehungszeit und die massiven baulichen Veränderungen schnell anzusehen: rechter Hand der sich klar und massiv aufrichtende Baukörper des Kirchenraumes als charakteristisches Beispiel eine Betonkirchenarchitektur in den 1960er und 70er Jahren (Abb. 1), linker Hand flache Kuben aus hellem und großformatigem Mauerwerk, die nach oben abgeschlossen werden von mit Zinkblech verkleideten Fassaden- und Dachelementen (Abb. 2) und auf eine Entstehung in den 1980er Jahren verweisen. Raumbildend in die Vertikale und den Blick damit nach oben lenkend ist der fast konstruktivistisch-skulptural wirkende Turm (Abb. 3), der zwischen ihnen steht und zudem die Eingangszone markiert (Abb. 4).
Baugeschichte
Mit dem Beginn der 1960er Jahre wuchs die evangelische Kirchengemeinde Langendreer stark an. Sie besaß zunächst nur ein Gemeindezentrum; Gottesdienste mussten in der Aula einer Schule stattfinden. 1966 gab es Pläne für einen Kirchen- und Gemeindehausneubau, dessen Errichtung am 26. Oktober 1966 begann. Für den Entwurf verantwortlich waren die Architekten Walter Arns (Remscheid), Louis Buderus und Arnold Rupprecht (beide Bochum), die bereits ab dem Ende der 1950er Jahre Kirchenbauten gemeinsam realisierten. Arns entwarf zudem Wohnbauten in Langendreer.
Die drei Glocken kamen erst am 21. Juni 1974 in den Turm. Sie stammten aus der zum Abriss bestimmten Kirche in Ümmingen: drei Gußstahlglocken, die 1920 im Bochumer Verein angefertigt wurden. Anlässlich des 2. Advent im Jahr 1979 konnte dann die Orgel feierlich in Betrieb genommen werden, 1991, zum 25. Jubiläum, wurde die Kreuzplastik, der Altartisch, das Taufbecken und die Leuchter im Altarraum nach Entwürfen des Bildhauers Heinz Heiber (Nürnberg) neu gestaltet. Das Gemeindehaus wurde 1986 um einen Anbau mit weiteren Versammlungsräumen und eine Küsterwohnung ergänzt. Errichtet wurde zudem ein Kindergarten.
Baubeschreibung
Ursprünglich waren alle drei Gebäudeteile in Sichtbeton ausgeführt und damit optisch verbunden; das Gemeindezentrum präsentierte sich allerdings als klar definierter, im Vergleich zu dem Kirchenschiff und dem Turm weniger plastischer Körper mit einem Flachdach. Es liegt zudem näher an der Straße, so dass eine kleine Platzsituation vor dem Eingang ausgebildet ist. Beide Nutzungen sind von hier aus separat voneinander zu betreten, im Inneren aber zudem verbunden.
Für das Kirchengebäude sind die Wandflächen zu einem unregelmäßigen, sechseckigen Grundriss zusammengefügt, nach Osten und Westen ansteigende Dachflächen verstärken die Plastizität dieser Großform. Aufgebrochen werden die geschlossenen Wandflächen im oberen Drittel nach außen durch parallel zur Dachlinie verlaufende Fensterbänder (Abb. 5). Vertikal trennen Fensterbahnen hinter den Gebäudeecken die Scheiben (Abb. 6). Nach dem Haupteingang führt eine winkelförmige, niedrige und dunkle Vorhalle zunächst um den fünfeckigen Kirchenraum herum, bevor dieser dann unterhalb der rückwärtigen Empore betreten wird (Abb. 7). Nun öffnet sich ein heller, weiter Raum, dessen Wirkung sich nach dem Durchlaufen des Vorraumes noch verstärkt. Die Innenwände sind von Kalksandsteinziegel mit wechselndem Fugenbild verkleidet, die Decke mit Holz (Abb. 8). Die Klarheit und auch die Schärfe des Außenbaus sind hier zugunsten einer höheren Gefälligkeit aufgehoben. Das Dach neigt sich zum Altar hin ab, die Fensterbänder trennen es hier im Innenraum über weite Strecken von den Wandflächen ab; so wirkt die Dachfläche leicht, fast schwebend (Abb. 9). Die vertikal verlaufenden Fensterbänder betonen den Charakter der Wände als gegeneinander gestellte Milchglasscheiben und lassen indirektes Tageslicht in den Raum. Bei dem Altarbereich handelt sich um ein großzügiges und flaches Podest, dass nicht durch zusätzliche Stufen vom Kirchenschiff abgetrennt ist. damit sollte einerseits die Möglichkeit anderer Nutzungen gegeben und auf eine Trennung zwischen dem Pastor und der Gemeinde verzichtet werden. In dem Raum sind 300 Banksitz- sowie 100 Stuhlplätze untergebracht.
Das Gemeindehaus verfügte ursprünglich über vier kleine Räume und einen 150 Quadratmeter großen Mehrzwecksaal. Mit dem Umbau einher ging eine Erweiterung des Raumangebotes; es wurde Platz geschaffen für einen Kindergarten, vier Wohnungen und ein Pfarrhaus. Eine der wichtigsten Nutzungen in diesem Teil des Komplexes dürfte ein kleines Jugendzentrum sein; dieses besitzt zudem einen Zugang in den hinter dem Gemeinde- und Kirchenzentrum liegenden Außenbereich, dessen abfallendes Gelände durch eine großzügige Terrassierung und Treppen gegliedert ist (Abb. 10).
Der Turm dominiert den ersten Eindruck von der Anlage, er wirkt weit in den umgebenden Raum hinein, der vor allem aus einer niedrigen Wohnbebauung besteht. Der 32,40 Meter hohe, nicht in das Kirschenschiff integrierte Glockenturm (Campanile) erhebt sich über einem fünfeckigen Grundriss. Seine Wände werden als schlanke Betonscheiben sichtbar ausgebildet (Abb. 11), im Abschluss sollen sie mit ihren spitzen Winkeln eine Krone stilisieren. Derartig gestaltete Türme schufen die Architekten auch für das Gemeindezentrum Burgerstraße in Remscheid (1964) und die Evangelischen Friedenskirche in Bochum Mitte (1966-69).
Kirchenbau der Nachkriegsmoderne
Zahlreiche Kirchen wurden in der Nachkriegsmoderne in Sichtbeton errichtet, eine andere Möglichkeit stellte Sichtmauerwerk dar, wie es zum Beispiel bei der Christuskirche in Bochum oder für St. Rochus in Düsseldorf zum Einsatz kam. Damit ist der Bau eingebunden in den Materialkanon dieser Zeit, denn Beton gilt als elementarer und beliebter Baustoff bei den Architekten dieser Epoche, unter anderem weil mit ihm eine freie Gestaltung und die Entwicklung einer Form direkt aus der Funktion möglich waren. Eines der bekanntesten Beispiel für Betonkirchen ist der Wallfahrtsdom in Neviges von Gottfried Böhm, der ebenfalls in den 1960er Jahren gebaut wurde, allerdings bedeutend expressionistischer als der Bau in Langendreer ist und zudem konsequenter: Die Innenwände sind ebenfalls in Sichtbeton ausgeführt. Aufgrund fehlender Erfahrungen in der Entwicklung von bauphysikalisch sinnvoll funktionierenden konstruktiven Elementen gab und gibt es in der Folge allerdings viele Bauschäden, hohe Erhaltungs- und Betriebskosten sowie heute kaum aufzubringende Sanierungskosten.
Grundsätzlich gehörten Kirchenbauten zu den wichtigsten Bauaufgaben der Nachkriegsmoderne. Zerstörte Bauten wurden wieder hergestellt oder rekonstruiert, einzelne Teile - häufig die Türme - wurden erhalten und um sichtbar moderne Kirchenschiffe ergänzt oder Neubauten errichten. In keinem Zeitraum der Geschichte des Kirchenbaus in Deutschland sind so viele sakrale Bauten errichtet worden wie zwischen 1948 und der 2. Hälfte der 1960er Jahre; gleichzeitig war der Kirchenbau bis in die 1980er Jahre durch eine Vielgestaltigkeit gekennzeichnet, die den Gläubigen unterschiedliche Assoziationen und Denkbilder anbieten sollten. Grundlegend waren zwei Konzepte: das der "pilgernden Kirche", welches zu Zelt-, Schiffs- und Höhlenmetaphern in der Kirchenarchitektur führte und das einer "Kirche für andere" (nach Dietrich Bonhoeffer 1944). Die Architektur der Michaelkirche bezieht sich auf das letztgenannte. Mit ihm stand die "Auseinandersetzung mit einem erweiterten Aufgabenspektrum der evangelischen Kirche" im Zentrum, der Aspekt des Handelns wurde dabei akzentuiert und der Versuch, eine vermeintliche "Schwellenangst" abzubauen führte zu "funktionserweiterten Gemeindezentren" (Wittmann-Englert (2006): S. 11).
Literatur
Marcus Nitschke: Beton im Kirchenbau. Urbilder des Bauens. In: Architektur und Bauphysik. Heft 12: St. Canisius. Eine Kirche öffnet sich, Seite 29-31.
Grazyna Adamczyk-Arns: Architekturbüro Walter Arns 1951-1994. 2. Auflage. Remscheid 2011.
Kerstin Wittmann-Englert: Zelt, Schiff und Wohnung. Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne. Lindenberg 2006.
Alexandra Apfelbaum: 4. Kirche als Gemeinschaft. Michaelkirche - Kirchenforum. In: Bochum 5:5. Architekturgeschichten der Nachkriegszeit in Stadt und Universität. Eine Ausstellung des Universitätsarchivs in der Universitätsbibliothek vom 17. März bis 30. Juni 2011. Im Internet einsehbar unter http://www.uv.rub.de/archiv/pdf/bo55_4.pdf.
Die Michaelkirche. Im Internet unter: http://langendreer.kirchenkreis-bochum.de/wir-ueber-uns/bezirke/michael/infos/kircheninnenraum.html
Auszug aus dem Protokollbuch vom 12.9.1967. Im Internet unter: http://langendreer.kirchenkreis-bochum.de/wir-ueber-uns/bezirke/michael/infos/kircheninnenraum.html