Nachkriegsarchitektur in Nordrhein-Westfalen

 

Der Altbau des Museum Folkwang

Text: Annkathrin Schwedhelm
Fotografie: Veronika Caspers

Das Museum Folkwang vor dem Zweiten Weltkrieg

Das ursprüngliche Folkwang-Museum wurde 1902 vom Bankierssohn Karl Ernst Osthaus gegründet und bestand bis zu dessen Tod 1921 in Hagen. Osthaus letzter Wille war es, den Fortbestand des Museums zu sichern, weshalb es im Jahr seines Todes der Stadt Hagen zum Kauf vorgeschlagen wurde. Da es aber zwischen der Stadt und den Hinterbliebenen zu keiner Einigung kam, wurde die Sammlung der Stadt Essen angeboten. Diese erkannte ihren hohen Wert und entschied sich zum Kauf. Nachfolgend musste sie die im Nachlass verfügte Auflage erfüllen, "daß das Museum 'in absolut würdiger Weise in einem Gebäude von hochwertiger Architektur untergebracht wird'" (Vogt, 1965, S. 37). Hierfür dienten zunächst die zwei Villen der Brüder Goldschmidt, die ihre Häuser der Essener Kunstsammlung gestiftet hatten und von denen bereits eines die Bestände des Städtischen Kunstmuseums beherbergte. Da aber diese Unterbringung der Osthaus-Sammlung nicht gerecht werden konnte, entschloss sich der neu entstandene Kunstverein Folkwang 1924 dazu, die alten Villen umzubauen und durch ein weiteres Ausstellungsgebäude zu ergänzen. 1926 begannen die Bauarbeiten unter Prof. Edmund Körner. Für den Ausstellungstrakt führte dieser zwei teilweise verglaste Gänge bis zum Ende des Grundstücks und verband sie durch zwei Mittelgänge, sodass zwischen ihnen, wie vom Kuratorium gewünscht, ein Innenhof entstand. Der Grundriss des Ausstellungstraktes glich somit einem rechtwinkligen "A". Am 4. Mai 1929 wurde das neue Museum Folkwang feierlich eröffnet und war bis zu seiner Zerstörung im Bombenhagel der letzten Kriegsjahre kultureller Mittelpunkt für das Ruhrgebiet.

Das Museum Folkwang nach dem Zweiten Weltkrieg

Der heute denkmalgeschützte Altbau des Museum Folkwang befindet sich nach wie vor an der Ecke Kahrstraße und Bismarckstraße in Essen-Rüttenscheid; einem Stadtteil, der nach dem Zweiten Weltkrieg wie ganz Essen weitgehend zerstört war. Es war zunächst nicht anzunehmen, dass Rat und Verwaltung der Stadt dem Wiederaufbau des Museums und dessen durch die Aktion "Entartete Kunst" stark dezimierter Sammlung große Bedeutung zukommen lassen würden. Doch dass der Schein manchmal trügt, zeigte die Stadt in Zusammenarbeit mit ihrem Partner, dem Folkwang-Museums-Verein. Bereits 1947 fand die erste Sitzung des neu gegründeten Kuratoriums statt, auf der zum Wiederaufbau gedrängt wurde. Die erhaltenen Ausstellungsstücke wurden vorerst außerhalb der Stadt in Schloss Hugenpoet bei Kettwig untergebracht und dort ausgestellt.

Bauplanung

Eine der nicht ganz zerstörten Goldschmidt-Villen konnte durch eine Spende des Museumsvereins teilweise so ausgebaut werden, dass es möglich war, einen Großteil der Exponate nach Essen zurück zu holen. Nachdem sich der Museumsbetrieb langsam wieder normalisiert hatte, entschloss sich das Kuratorium zu einem Neubau anstelle des ursprünglich angedachten Wiederaufbaus des Körner-Gebäudes aus den 1920er Jahren. In einem eingeschränkten Wettbewerb zu Beginn der 1950er Jahre wurde der Entwurf des Architekten Werner Kreutzberger und seines Mitarbeiters Erich Hösterey ausgewählt. Nach einigen Verzögerungen wurde schließlich Horst Loy als beratender Architekt hinzugezogen. Er brachte die vorliegenden Pläne Kreutzbergers und Höstereys zu einem baureifen Entwurf.

Der Bau

Im Jahr 1956 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Der bis 1960 entstandene Gebäudekomplex (Abb. 1) besteht aus zwei Baukörpern, die durch eine gläserne Eingangshalle verbunden sind. Wie geplant beinhaltet der mit Basaltlava verkleidete zweigeschossige Verwaltungskomplex auch heute noch einen Vortragsraum mit ansteigenden Sitzreihen und Bühne, mehrere Verwaltungsbüros sowie eine Bibliothek und Sammlungsräume. Das einstöckige Ausstellungsgebäude, dessen Fassade aus Glas und Naturstein besteht, wurde so konzipiert und umgesetzt, dass es von der unruhigen Bismarckstraße, einer Hauptverkehrsstraße, abgegrenzt und nach Innen geöffnet wird. Der so entstandene Atriumbau greift die Form des ehemaligen Körner-Baus auf und ergänzt diese zu einem rechtwinkligen Bau, der zwei durch einen Gartensaal getrennte Innenhöfe umschließt. Das in die Höfe fallende Licht wird durch große, vom Boden bis zur Decke reichende Fenster in die Ausstellungsräume getragen, die teilweise zusätzlich mit Oberlichtern ausgestattet sind. Der Gartensaal bietet Sitzgelegenheiten und ist als Ruheraum konzipiert. Seine in Glas aufgelöste Fassade fügt ihn transparent in die idyllischen, allerdings nicht zu betretenden Innenhöfe ein, ohne den Blick des Besuchers zu irritieren. Biegt man von der Bismarckstraße auf die Kahrstraße, passiert man zunächst das Verwaltungsgebäude, bevor der Blick auf den Ausstellungstrakt wieder freigegeben wird. Auf dieser Seite wurde ebenso wie im Inneren des Gebäudes Wert auf Transparenz gelegt. Eine große Fensterfront ermöglicht den Passanten einen neugierigen Blick ins Innere des Museums und setzt so die Idee seines Gründers Karl Ernst Osthaus fort, der seine Sammlung immer nah am Menschen wissen wollte.

Die Folkwang Idee damals und heute

"Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel", so formulierte Osthaus seinen Gedanken zum Folkwang, der "Volkshalle", wie man den Namen aus dem Altnordischen frei übersetzten könnte. Ein Bau, der Kunst und Leben versöhnbar machen und der gesamten Ruhrgebietsbevölkerung offenstehen sollte. Noch heute wird dieser Anspruch im Museum Folkwang fortgesetzt, sowohl durch den 2010 dem Verwaltungsgebäude zugefügten Karl-Ernst-Osthaus-Saal für Bildung und Vermittlung, als auch durch den im selben Jahr entstandenen Neubau des Architekten David Chipperfield. Sein Entwurf nimmt die Innenhöfe und die großen Fenster des Altbaus wieder auf und verlegt den Eingang an die Bismarckstraße. Die gläsernen Gänge des Altbaus laden damals wie heute zum Flanieren und Verweilen ein. Entgegen vielen anderen Museen damaliger Zeit gibt es hier keinen festgelegten "Rundweg". Immer neue Gänge und unterschiedlich angelegte Trennwände machen den Besucher neugierig und frei in seiner Entscheidung, auf welche Weise er das Museum erkunden möchte. Der zentral gelegene Gartensaal bietet aber auch die Möglichkeit sich zu sammeln, zu entspannen und neben der Kunst auch die Natur, sprich die Innenhöfe, auf sich wirken zu lassen. Ein im Zuge der Altbau-Erneuerung 2010 installiertes Lamellen-Gerüst dient dem Schutz und der optimalen Ausleuchtung der ausgestellten Objekte. Eine kleine Einschränkung besteht allerdings dann, wenn die Lamellen geschlossen sind, da so der eigentliche Museumsgedanke von Offenheit und Zugänglichkeit nach Innen und Außen getrübt wird.

Auf einer Fläche von etwa 5000 Quadratmetern werden im Altbau heute die Meisterwerke des 19. und 20. Jahrhunderts ausgestellt. Das Folkwang-Museum ist neben dem Lehmbruck-Museum in Duisburg einer der bedeutendsten Museumsbauten der Nachkriegszeit.

 

Literatur (Auswahl)

Paul Vogt: Das Museum Folkwang Essen. Die Geschichte einer Sammlung junger Kunst im Ruhrgebiet. Köln 1965.

Das Museum Folkwang im Internet: http://www.museum-folkwang.de.