Nachkriegsarchitektur in Nordrhein-Westfalen

 

Das Stadtwerkehaus in Bochum

Text und Fotografien: Annika Stabenow

Prominent in der City, an der Massenbergstraße und in direkter Nähe zum Bahnhof gelegen, findet der Besucher der Stadt das ehemalige Verwaltungsgebäude der Bochumer Stadtwerke (Abb. 1), das unter dem Namen Stadtwerkehaus bekannt geworden ist und sich durch seinen architektonischen Baustil der 1950er Jahre ausweist. Erbaut wurde es nach vorangegangener Planung für den durch Clemens Massenberg durchgesetzten Neuordnungsplan für die Innenstadt zwischen 1953 und 1955, das Richtfest fand am 18. Dezember 1953 statt.

Im Auftrag der Stadtwerke sollte möglichst schnell nach Kriegsende ein repräsentatives Verwaltungsgebäude entstehen, das ausreichend Platz für die Mitarbeiter bieten konnte, die die Versorgung der Bürger mit Strom ungehindert möglich machen mussten. Das ursprüngliche Verwaltungshaus lag weiter im Westen der Innenstadt, war jedoch im Krieg vollkommen zerstört worden. Das Gebäude wurde gemeinsam von dem Architekten Ferdinand Keilmann und dem Städtischen Planungsamt unter dem Dezernenten Clemens Massenberg, einem Meisterschüler Hans Poelzigs, geplant und in das Gestaltungsprinzip des Ringstraßenbereichs eingebunden. Dieses sollte schon früh das neue Gesicht der Stadt prägen und Bochum als moderne und innovative City repräsentieren.

Die Gestaltung der Außenfassade

Das Stadtwerkehaus (Abb. 2) galt zwischen 1955 und 1966 als der größte und modernste Verwaltungsbau, wurde in diesen Eigenschaften dann aber von anderen Bauwerken abgelöst. Als eine städtebauliche Dominante in der neu angelegten Innenstadt sollte es als ein Wegweiser in die Stadt dienen. Wegen seiner transparenten, rhythmisch durchfensterten Fassadengestaltung bekam das Haus schon bald von den Bochumern den Spitznamen Beamten-Aquarium, da man die Angestellten der Stadtwerke durch die Fensterfronten der Nord- und Südseite, die synchron gestaltet sind, bei der Arbeit beobachten konnte. Die Fassade hat die prägnante Länge von 55 Metern, deren voll verglaste Schaufensterzone im Erdgeschoss durch eine Kragplatte von den Obergeschossen abgegrenzt ist. Wie auch der Bochumer Hauptbahnhof wurde bei der Materialwahl der Außenfassade aufgrund der industriellen Schmutzpartikel in der Luft darauf geachtet, dass das Haus lange Zeit relativ unbeeinträchtigt bleibt: Man gestaltete die Stützen aus silber-schwarzem Beton und hellgrünen Keramikplatten, beide Elemente sind heute noch erhalten.

Zur Zeit der Einweihung und während der Nutzung durch die Stadtwerke verzierte ein Schriftzug mit ihrem Namen in bunten Leuchtbuchstaben den Bereich über der Sockelzone.

Für das neungeschossige, zweibündige in Skelettbauweise errichtete Haus, das ursprünglich über zwei Nebenbauten verfügte, wurde das erste Mal Sichtbeton in Bochum verwendet. Bei der Ausführung herrschten größte Sorgfalt und eine sehr hohe Priorität, da dem Gebäude die Aufgabe zugedacht war, das Image der Stadt zu stärken. Eine ähnliche Gestaltung der Fassaden findet sich überall in Deutschland bei Bauwerken dieser Zeit, so ähneln zum Beispiel das Gesundheitshaus in Dortmund oder das Verwaltungsgebäude der Preussag in Hannover dem Stadtwerkehaus.

Die Ausstattung des Innenraums

Die klare Struktur und Gliederung der Fassade verrät dem Besucher trotz aller Transparenz und Lichtdurchflutung nicht, wie dynamisch und schwungvoll sich die Ausstattung des Foyers präsentiert. Betritt der Besucher das Haus durch die Glastüren findet er sich in einer übersichtlichen Eingangshalle wieder, in der eine mondän geschwungene Treppe in das erste Obergeschoss führt. (Abb. 3) Ein besonderes Farbspiel entsteht in diesem Bereich durch ein hohes, sich über zwei Etagen erstreckendes Buntglasfenster von dem Bochumer Künstler Ignatius Geitel (Abb. 4, Hintergrund). Er gestaltete in der Stadt einige öffentliche Bereiche mit, so zum Beispiel das Glasfenster des Kortumhauses, welches heute nahezu zerstört ist.

Zusätzlich wurde für die repräsentative Beleuchtung des Treppenraums eine individuelle und als Einzelstück angefertigte Lampe der Bochumer Manufaktur Schumacher installiert, die auch heute noch in Betrieb ist. (Abb. 5) Die dynamische Ausschmückung des Innenraums und die Struktur der Außenfassade zeigen, wie geometrische Pragmatik und geschwungene Feierlichkeit miteinander kombiniert wurden. Die Leichtigkeit der Treppe korrespondiert in diesem Sinne mit der tragend und stützend wirkenden Kragplatte und der Säulengestaltung der Fassade in der Sockelzone. Auf elegante Weise treffen Fragilität und Festigkeit aufeinander.

Vom Eingangsbereich aus konnte der Besucher das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss erschließen. Dort befanden sich die für den Publikumsverkehr eingerichteten Verwaltungs- und Servicebüros. Im Erdgeschoss gab es die Kassen- und Ausstellungsräume, das zweite Obergeschoss diente der Direktion. Von der dritten bis zur achten Etage waren die Büroräume untergebracht, die dem Besucher nicht zugänglich waren. Sie konnten nur durch die Treppenhäuser, die sich in den Schmalseiten der West- und Ostseite des Gebäudes befinden, betreten werden. Das neunte Stockwerk nahm einen großen Vortragssaal, eine Lehrküche und die hauseigene Cafeteria auf.

Das Stadtwerkehaus heute

Im Jahr 2000 wurde der Bau in die Denkmalschutzliste der Stadt aufgenommen, nicht jedoch der Anbau, der erst in späteren Jahren angebracht worden ist und der sich von der Straße aus nicht sichtbar an der Rückseite des Gebäudes befindet. Seit 2005 befindet sich das Haus nicht mehr im Besitz der Stadtwerke; sie sind in einen eigens für diesen Zweck errichteten Neubau umgezogen. Der Bau aus den 1950er Jahren dient heute vor allem diversen Arztpraxen und Anwaltskanzleien als Sitz, im Eingangsbereich befindet sich eine Apotheke. Der Umbau und die, modernen Ansprüchen und Aufteilungen entsprechenden, Umgestaltungen erfolgten durch das Büro Kemper, Steiner & Partner. Bereits im Laufe des Jahres 1986 waren in den Außenfassaden neue, modernen Standards entsprechende Fenster eingebaut worden, die der besseren Kältedämmung dienen sollten. Zudem wurden sich über alle Etagen erstreckende Außenjalousien angebracht. Die Stützen wurden schwarz gestrichen, so dass man das Gebäude heute nicht mehr im Originalzustand betrachten kann. Jedoch ist der ursprüngliche Zustand keineswegs verfälscht. Die Sockelzone korrespondiert zudem nach wie vor mit den von Massenberg geplanten anderen Bauwerken im Citybereich. Dabei geht die untere Fassadengestaltung sozusagen von Haus zu Haus ineinander über. Das Stadtwerkehaus bildete gemeinsam mit dem angrenzenden Stadtbad und dem Arbeitsamt im Sockelzonenbereich eine gestalterische Einheit. Beide sind heute abgerissen, das Arbeitsamt wurde durch einen modernen Hotelbau ersetzt; die Stadtbadgalerie griff nicht nur den Namen ihres Vorgängerbaues auf, sie schließt im Erdgeschossbereich auch wieder optisch an das Stadtwerkehaus an (Abb. 6).

Die direkt vor diesen Bauwerken verlaufende Massenbergstraße ist heute nach wie vor ein Wegweiser in die Bochumer City. Die stadtplanerische Gestaltung des Boulevards korrespondiert mit der Intention von Clemens Massenberg, der Stadt ein freundliches und offenes Image zu geben. Das Stadtwerkehaus fügt sich auch heute noch repräsentativ in dieses modernisierte und an die Gegenwart angepasste Gesicht der Innenstadt ein.

 

Literatur

Hanke, Hans H.: Architektur und Stadtplanung im Wiederaufbau. Bochum 1944 - 1960. Münster 1992.

Hanke, Hans H.: Bochum. Wandel in Architektur und Stadtgestalt. Bochum 1985.

Krampe, Ulrich u.a. (Hg.): Bauen in Bochum. Bochum 1986.

Büro- und Praxishaus. Im Internet unter: http://www.ruhr-bauten.de/auswahl.php?index=18, gesehen am 29.7.2013.