Dreischeibenhochhaus Düsseldorf
Text und Fotografie: Alexandra Klei
Wenige Gebäude der Nachkriegsmoderne werden heute als derart bedeutungsvoll für diese Epoche bezeichnet wie das ehemalige Verwaltungsgebäude der Phoenix-Rheinrohr AG am Gustaf-Gründgens-Platz, in unmittelbarer Nähe zum Hofgarten. Es steht für "die Verkörperung des Wirtschaftswunders", das "Ende des Wiederaufbaus", für einen demonstrativen "Anschluss an die Entwicklung der Vereinigten Staaten" (M.J., 2000, S. 256), es ist ein "Symbolbau und Höhepunkt", welcher zum "Markenzeichen der Stadt" aufrückt, an dem sich zudem "ein Wandel von Gesellschafts- und Bauauffassung" (Durth 1992, S. 239) nachzeichnen lässt, es ist "für deutsche Verhältnisse ein Nonplusultra an Präzision, Transparenz, Schwerelosigkeit" (Pehnt (b), 2006, S. 302).
Das Gebäude
Das Dreischeibenhochaus entstand zwischen 1957 und 1960 an der wohl exponiertesten Stelle der Stadt. Es war es ihr zweiter Hochhausbau, der erste entstand nur wenig früher südlich der City für das Unternehmen Mannesmann nach einem Entwurf des Architekten Paul Schneider-Eisleben.
Der Wettbewerb für das Gebäude der Phoenix-Rheinrohr AG Vereinigte Hütten- und Röhrenwerke wurde 1955 ausgeschrieben, 21 Büros wurden zu einer Teilnahme eingeladen. Als Sieger ging das Düsseldorfer Büro von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg hervor. Ihr schließlich umgesetzter Entwurf - der sich von dem Wettbewerbsbeitrag deutlich unterschied - besteht aus drei parallel zueinander stehenden Scheiben, die mittlere ist sowohl die höchste als auch die breiteste. Typologisch handelt es sich um die Synthese von einem Turm- und einem Scheibenhochhaus: Die Scheiben sind so gegeneinander gesetzt, dass in der mittleren der Kern für die Versorgung untergebracht ist und die Büroräume an den Außenseiten liegen können. Damit konnte der Raum entsprechend der Bauvorschriften, welche eine natürliche Belichtung in Arbeitsräumen vorsahen, optimal ausgenutzt werden. Neben dem Kern und den inneren Wandscheiben wird das Gebäude von Stahlrohren getragen, die hinter den Vorhangfassaden stehen. Diese Stützen sind von unten bis oben durchgängig, die Elemente der Fassade enden einige Zentimeter über dem Boden und verdeutlichen so, dass sie Verkleidung sind, nicht Tragwerk. Die großen, flächigen und gerasterte Breitseiten werden von Glas und Aluminiumsprossen gebildet, die von keinen zusätzlichen Aufbauten unterbrochen werden; die Jalousien zum Sonnenschutz sind innenliegend angebracht. Das führt auch dazu, dass sich Stimmungen des Wetters, die Tages- und Jahreszeiten in der Glasfassade der feingliedrigen Konstruktion spiegeln. Dabei lässt die Fassade in ihrer Gleichförmigkeit keine Rückschlüsse auf die dahinterliegenden Funktionen zu. Sie wirkt leicht, flach, transparent. Die beiden dreiteiligen Schmalseiten sind mit gefaltetem Stahlblech verkleidet. In den oberen Etagen befanden sich unter anderem ein Kasino und die Cafeteria; die Bürozellen waren mittels einem System aus flexiblen Trennwänden zu unterteilen. Zudem gab es größere Räume, die für Gruppen ausgelegt waren.
Der 95 Meter hohe Bau mit seinen 25 Etagen begrenzt die Platzanlage, darüber hinaus zeichnet die Nord-Süd-Stellung der Scheiben "den Richtungszug wichtiger Straßenverbindungen nach" (Pehnt, 1986, S. 24); so des Rasters der Altstadt, der Kö, der neuen Berliner Allee und präsentiert sie in der dritten Dimension.
1964 übernahm die Thyssen AG die Phoenix-Rheinrohr AG und damit auch deren Verwaltungsgebäude, 1999 wurde es Firmensitz des mit Krupp fusionierten Unternehmens. Im Juni 2010 zog TyssenKrupp in sein neues Hauptquartier nach Essen, das Dreischeibenhochhaus war zuvor von einer Immobilientochter der Deutschen Bank erworben worden. Diese verkaufte es in der ersten Jahreshälfte 2011 an die Momeni Projektentwicklung GmbH, welche es derzeit denkmalgerecht sanieren lässt.
Während also die Begeisterung für dieses Gebäude, oder doch wenigstens eine Anerkennung seiner Bedeutung, nach wie vor zu existieren scheint, sind andere Projekte dieser Zeit umstrittener. Ein prominentes Beispiel dafür ist der "Tausendfüßler", eine sieben Kilometer lange, anbaufreie, kreuzungsfreie Hochstraße, welche das Stadtgebiet rechts des Rheines und mit linksrheinisch liegenden Ortschaften verband. Sie wurde 1961/62 gebaut und bildete einen Kontrast zu dem geschlossenen Block des historisch geprägten Stadtraumes an der Königsallee, eine "(m)oderne Verkehrsarchitektur in skulpturalen Formen" (Durth, S.244) mit optisch filigraner Erscheinung: Die dünne Straßenplatte war mittig auf Stelzen gelagert und schob sich mit leichtem Schwung durch den städtischen Raum. Im Dezember 1993 erfolgte der Eintrag in die städtische Denkmalliste, im April 2013 wurde die Straße abgerissen.
Die Stadt und ihre Gestalter
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind 85 Prozent der Gebäude im Stadtzentrum zerstört oder beschädigt, ebenso 209.000 der 555.000 Wohnräume im Stadtgebiet. Mit dem Wiederaufbau soll ein "Zentrum der Banken und des Handels in Westdeutschland" (Durth, S. 234) entstehen; ab April 1948 zeichnet sich Friedrich Tamms als Leiter des Stadtplanungsamtes dafür verantwortlich. Er entwirft einen Neugestaltungsplan, der im Herbst 1949 in einer Ausstellung gezeigt wird. Die geplante neue Stadtstruktur und die Geschwindigkeit ihrer Umsetzung führen zu heftigem Widerspruch und zur Gründung des "Architektenring Düsseldorf" im Oktober 1949, der einen Gegenentwurf präsentiert, sich aber nicht durchsetzen kann.
Tamm steht mit seiner Karriere exemplarisch für die Biographien zahlreicher deutscher Architekten dieser Epoche: Nach einem Architekturstudium in den 1920er Jahren und einer ersten Tätigkeit beim Berliner Brückenbauamt wurde er 1934 Berater für Brückenbau bei der Obersten Bauleitung der Reichsautobahn, während des Zweiten Weltkrieges betreute er die Errichtung industrieller Bauten, von Luftschutzbauten und Flakbunkern, 1942 erhielt er die Professur für Entwerfen von Hochbauten an der TU Berlin und Ende 1943 wurde er zu einem Mitarbeiter des Arbeitsstabes für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte. Hier war er zuständig für den Wiederaufbau von Lübeck. Bei seiner Tätigkeit in Düsseldorf, die er zwischen 1954-1969 als Beigeordneter und Dezernent für das gesamte Bauwesen, zeitweise zudem als Kulturdezernent, ausbauen konnte, etablierte er seine Netzwerke aus der NS-Zeit in der Stadt; er gab zahlreichen seiner früheren Kollegen aus dem Wiederaufbaustab die Möglichkeit, hier tätig zu werden. So war Julius Schulte-Frohlinde von 1952 bis 1959 Leiter des städtischen Hochbauamtes und baute unter anderem zwischen 1952 und 1956 das neue Rathaus. 1934 war Schultz-Frohlinde zunächst stellvertretender, ab 1936 dann Leiter der Bauabteilung der Deutschen Arbeitsfront. Im Zuge dieser Arbeit entwarf er unter anderem NS-Mustersiedlungen. 1937 wurde er Mitglied der NSDAP, ab 1943 war er für die Planung des Wiederaufbaus von Bonn zuständig. Darüber hinaus war Schultz-Frohlinde publizistisch und dabei mit starken antisemitischen Verlautbarungen tätig. Hanns Dustmann, unter anderem "Reichsarchitekt der Hitlerjugend", eröffnete ein Büro in Düsseldorf, Konstanty Gutschow, der unter anderem einen Generalbauplan für das zerstörte Hamburg entwickelte, baute in Düsseldorf die Industrie- und Handelskammer und die Chirurgische Klinik, Rudolf Wolters realisierte das Gebäude der Industrie-Kredit-Bank. Er leitet den Wiederaufbaustab ab Oktober 1943. Und auch Helmut Hentrich war in diesen Kreis involviert; er plante die Neugestaltung von Hamburg. Er und sein Partner Hans Heuser waren darüber hinaus für die Organisation Todt tätig, welche militärische Anlagen in Deutschland und in den besetzten Ländern baute. Ihr gemeinsames Büro in Düsseldorf eröffnete wenige Tage nach der Übernahme der Stadt durch die Amerikaner. Nach dem Tod von Heuser im Jahr 1953 trat Hubert Penschigg in die Bürogemeinschaft ein, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer der größten und erfolgreichsten in Deutschland entwickelte. Das Dreischeibenhochhaus markierte auch den Wechsel im Architekturverständnis des Büros und seine Hinwendung zur Moderne.
Literatur
Werner Durth: Düsseldorf. Demonstration der Modernität. In: Klaus von Beyme: Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit. München 1992, S. 232-250.
Werner Durth: Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900-1970. München 1992.
M.J.: Markenzeichen des Wirtschaftswunders. Dreischeibenhochhaus (Thyssenhaus). Düsseldorf. 1955-1960. In: Romana Schneider, Winfried Nerdinger, Wilfried Wang (Hg.): Architektur im 20. Jahrhundert. Deutschland. München/London/New York 2000, S. 256.
Sylvia Necker: Konstanty Gutschow 1902-1978. Modernes Denken und volksgemeinschaftliche Utopie eines Architekten. Hamburg/München, 2012.
Wolfgang Pehnt: Ein Star kommt in die Jahre. Dreischeibenhochhaus, Düsseldorf. In: Mathias Schreiber (Hg.): Deutsche Architektur nach 1945. Vierzig Jahre Moderne in der Bundesrepublik. Stuttgart 1986, S. 23-26.
Wolfgang Pehnt (a): Keine Stunde Null. In: ders: Deutsche Architektur seit 1900. München (2. Aufl.) 2006, S. 247-255.
Wolfgang Pehnt (b): Happy Fifties. In: Ebd. S. 298-309.
Kurt Schmidt: Zwischen planerischen Willen und Investorenwünschen. Hochhausentwicklung in Düsseldorf seit 1945. In: Marianne Rodenstein (Hg.): Hochhäuser in Deutschland. Zukunft oder Ruin der Städte?, Stuttgart 2000, S. 138-153.
Dreischeibenhaus. Im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Dreischeibenhaus.
Tausendfüßler Düsseldorf. Im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Tausendfüßler_(Düsseldorf).
Johanna Zigan: Der Herr der Brücken. In: Geschichtswerkstatt Düsseldorf. 2005. Im Internet: http://www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de/historischestextepublikationen/persoenlichkeiten/friedrichtamms/