Nachkriegsarchitektur in Nordrhein-Westfalen

 

Die Trauerhalle Ost auf dem Zentralfriedhof Freigrafendamm in Bochum

Text: Joana Maibach
Fotos: Laura Krys

Baugeschichte

Auf dem Zentralfriedhof Freigrafendamm in Bochum entstanden von 1935 bis 1941 die heute noch genutzten monumentalen Bauten am Haupteingang, welche "konsequent im Sinn repräsentativer nationalsozialistischer Bauauffassung" (Hanke, 1998: 402) errichtet wurden. Diese Gebäude waren Teil des Gesamtkonzeptes zur Neugestaltung von Bochum als Gauhauptstadt Westfalen-Süd. Der Komplexist heute das einzige, in diesem Rahmen realisierte und dabei bis heute unverändert erhaltene Projekt in der Stadt. Die Hauptanlage besteht aus zwei unterschiedlich großen kubischen Trauerhallen und angeschlossenen Betriebsgebäuden, die bis ins Detail hinein von der nationalsozialistischen Ideologie durchdrungen sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dehnte sich der Friedhof weiter in östlicher Richtung aus und die dort angelegten Gräberfelder lagen teilweise zu weit entfernt von diesen Trauerhallen. Dies führte zu langen Wegen bei Trauerfeiern und erheblichen Störungen für die Betriebsabläufe auf dem Friedhof. Daher regte der damalige Oberbürgermeister Fritz Claus (SPD) Ende der 1960er Jahre nach dem Besuch einer Trauerfeier die Planung einer weiteren Friedhofshalle mitsamt den notwendigen Nebenräumen im Osten des Zentralfriedhofs an.

Den ersten Entwurf dazu lieferte Ferdinand Keilmann, der damalige Stadtbaumeister Bochums. Es war sein letztes größeres Projekt in städtischen Diensten und wurde erst nach seiner Pensionierung von 1973 bis 1974 durch die Bochumer Niederlassung der Firma Philipp Holzmann und den Architekten Hans-Rolf Dönges aus Essen ausgeführt. Diese orientierten sich dabei an Keilmanns ungewöhnlichem Entwurf, der sich durch seine moderne skulpturale Formensprache und Materialität nicht nur deutlich von der monumentalen Hauptanlage aus den 1930 Jahren unterscheidet, sondern auch von anderen Trauerhallen in der Stadt.

Baubeschreibung

Die Trauerhalle Ost oder auch Trauerhalle Havkenscheid genannt, liegt im südöstlichen Teil des Zentralfriedhofs an der Feldmark und der Havkenscheider Straße. Das Gebäude ist bis heute weitgehend in seinem Originalzustand erhalten und wird nach wie vor für Trauerfeiern genutzt.

Die Halle gehört zu einem Komplex aus insgesamt drei Baukörpern, die u-förmig nach Norden und damit zu den tieferliegenden Grabfeldern hin einen geöffneten quadratischen Platz fassen (Abb. 1). Dieser ist bis zu den angrenzenden Fußwegen mit Waschbeton gepflastert und wird nur an einigen Stellen von Pflanzflächen durchbrochen. Der Platz bildet die Fläche rund um die als Solitär und Dominante konzipierte Trauerhalle, die der westliche Flügel der Anlage ist und in ihrem Sockelgeschoss die quadratische Grundform wieder aufgreift. Dieser Einraumbau gliedert sich in seiner Konstruktion und Gestaltung in drei übereinanderliegende Zonen. Der Sockel besitzt auf jeder Seite drei Stahlbetonstützen mit glatten Sichtbetonoberflächen. Zwischen diesen Stützen befindet sich eine farbige Bleiverglasung mit abstrakten Mustern, die von grau gefassten Betonrahmen gehalten wird. Die Farbintensität der Fenster wird dabei nach oben immer schwächer. Sie sind hauptsächlich in Blau, Rot und Gelb gestaltet; die Farben wechseln sich auf den Fenstern ab. Der Entwurf für diese Gestaltung stammt von dem Bochumer Glaskünstler und Architekten Egon Becker, welcher bereits zuvor mit Keilmann an anderen Bauten zusammengearbeitet hatte.

Der Sockel der Trauerhalle scheint sich durch die Buntglasfenster in seiner Basis aufzulösen (Abb. 2). Die beiden Eingangssituationen sind etwas bunter als die Fenster gestaltet und befinden sich im Norden und im Osten des Baus. Auf den Stützen erhebt sich ein horizontales Sichtbetonelement, welches auf allen Seiten weit über die Sockelzone hinausragt. Darüber befindet sich ein ebenfalls quadratischer und skulptural gestalteter Sichtbetonkörper, der vertikal mehrfach gestaffelt ist und nach oben einen gezackten Abschluss bildet. Dieser wirkt wie eine Bekrönung und erinnert an eine stilisierte Krone.

Im Innenraum der Trauerhalle wird die Gestaltung mit den Sichtbetonoberflächen fortgeführt. Der Boden ist mit roten Klinkern ausgestattet, welche einen Kontrast zu dem grauen Beton bilden. Das Harmonium ist tieferliegend in der nordöstlichen Ecke der Halle gelegen und durch ein paar Stufen zu erschließen. Der Bereich verfügt über ein abstraktes Sichtbetonrelief und so entsteht abermals eine Verbindung zu der restlichen Gestaltung. Die Bestuhlung der Trauerhalle ist diagonal in einem Halbkreis gegenüber dem Harmonium angeordnet (Abb. 3).

Der gesamte Bau basiert auf einer Stahlbetonkonstruktion, bei der alle genannten Sichtbetonoberflächen aus Weißzement gearbeitet sind und die Schalung des Beton deutlich sichtbar ist (Abb. 4). Die Trauerhalle ist lediglich durch überdachte Wege aus Beton mit den beiden anderen Gebäuden im Osten und Süden der Anlage verbunden (Abb. 5). Der südliche Flügel beinhaltet den Leichenzellentrakt. An ihn schließt im Osten das Betriebsgebäude mit Räumen für den Pastor, die Angehörigen und die Mitarbeiter an. Die beiden Gebäude sind eingeschossig und als schlichte, kubische Flachbauten errichtet. Das Mauerwerk besteht aus weißem Kalksandstein, die Rahmen der Fenster aus schwarzem Kunststoff. Beide Bauten treten in ihrer unauffälligen Gestaltung deutlich hinter die Trauerhalle zurück.

Die Eingangssituationen der drei Baukörper sind nach ihren unterschiedlichen Funktionen hin gegliedert, sodass sich die Betriebsabläufe an der Architektur nachempfinden lassen. Dadurch sind die Verkehrswege von Besuchern, Angehörigen und Mitarbeitern konsequent voneinander getrennt. Von der Straße aus gibt es eine direkte Anbindung an den Haupteingang des Leichenzellentraktes, welcher zur Anlieferung der Verstorbenen und als Zugang für die Angehörigen und den Pastor dient. Über eine weitere Tür auf der anderen Seite des Leichenzellentraktes gelangt man zum östlichen Eingang der Trauerhalle, durch den der Sarg in ihren Innenraum geschoben wird. Der Haupteingang für die Trauergäste befindet sich im Norden an einem Vorplatz, an den die Gräberfelder anschließen. Er wird von der Straße, die seitlich an der Trauerhalle entlang führt, erschlossen. Obwohl es so keinen direkten Zugang zur Trauerhalle gibt, tritt sie als zentraler Bau nach Außen dennoch deutlich hervor. Sie stellt mit ihrem skulptural gestalteten und hochaufragenden Sichtbetonkörper eine bereits von Weiten zu erkennende Ortsmarke dar (Abb. 6).

Der Architekt

Ferdinand Keilmann (1907-1979) studierte an der Staatlichen Bauhochschule in Weimar Architektur. Anschließend war er wie so viele andere Architekten zunächst mit der hohen Arbeitslosigkeit im Bauwesen konfrontiert. Während des Nationalsozialismus war seine Karriere geprägt von zahlreichen wechselnden Arbeitgebern, zudem gab es wenig oder gar keinen Platz für künstlerische Ambitionen. Ab 1950 arbeitete Keilmann zunächst als Architekt, dann als Stadtbaumeister im Hochbauamt Bochum. Unter dem zwischen 1946 und 1954 amtierenden Baudezernenten Clemens Massenberg war Keilmann am Wiederaufbau der Stadt beteiligt und dabei für viele wichtige Bauprojekte verantwortlich, so für das Hochhaus der Stadtwerke und den Wiederaufbau des Sitzungssaals im Rathaus. Der Entwurf der Trauerhalle Ost auf dem Zentralfriedhof nimmt aufgrund ihrer außergewöhnlichen Gestaltung dabei eine Sonderstellung in seinem Gesamtwerk ein. Friedrich Keilmann liegt heute in ihrer unmittelbaren Nähe begraben.

 

Literatur

Hanke, Hans H.: Erschütternd auf den Besucher wirken. Bauten des Hauptfriedhofes "Freigrafendamm" als nationalsozialistische Kultgebäude in Bochum. In: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe. Bd. 76/1998 der Zs. Westfalen, Münster 1999/2000, S. 402-441.

Jordan, Rüdiger: Orte des Abschieds. In: Darmstadt, Christel (Hg.): Sakrale Baukunst in Bochum. Bochum 2003, S. 209-217.

Keilmann, Arne: Der Architekt Ferdinand Keilmann im Systemwandel des 20. Jahrhunderts. Bochum 2001.

Stegmann, Knut: Bochum: Trauerhalle Ost auf dem Zentralfriedhof Freigrafendamm, Feldmark 107. In: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 21 (2015), Heft 1, S. 42-45.