Nachkriegsarchitektur in Nordrhein-Westfalen

 

St. Rochus in Düsseldorf-Pempelfort

Text und Fotografien: Nina Henze

Der Rochusmarkt und seine Bauten

Der Rochusmarkt, entlang der Prinz-Georg-Straße im Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort gelegen, ist schon mehr als drei Jahrhunderte Verehrungsort des in der katholischen Kirche als Heiligen angesehenen Rochus von Montpellier. Bereits im 17. Jahrhundert errichtete man ihm zu Ehren unweit des heutigen Standorts der Rochuskirche eine Kapelle auf dem Rochusmarkt. Zu ihr pilgerten die Menschen in Seuchenzeiten, um bei dem Pestpatron Hilfe zu erbeten. Wegen des starken Bevölkerungswachstums der Stadt wurde in den Jahren 1894 bis 1897 die neoromanische Rochuskirche nach den Plänen des Architekten Joseph Kleesattel gebaut. Kurz nach ihrer Einweihung folgte der Abriss der nun überflüssigen Kapelle. In ihrem Grund- wie Aufriss deutlich an die romanischen Kirchen St. Aposteln und St. Maria im Kapitol in Köln angelehnt, beeindruckte die damalige Rochuskirche als mächtiger dreischiffiger Bau mit zwei Chortürmen, einer achteckigen Vierungskuppel und einem 82 Meter hohen Glockenturm.

1943 zerstörten Fliegerbomben den im Volksmund genannten Dom zu Düsseldorf zu 40 Prozent. Die Dachstühle brannten aus und die Gewölbe stürzten ein. Innen- und Außenwände sowie die Turmschächte blieben jedoch unbeschädigt. 1949 wurde zunächst der Wiederaufbau der Kirche geplant. Schließlich entschieden sich der damalige Pfarrer Peter Dohr und sein Architekt Paul Schneider-Esleben jedoch gegen die nicht mehr zeitgemäß wirkenden mittelalterlichen Formen und für die Idee eines modernen Neubaus. Trotz massiver Proteste von Gemeindemitgliedern wurde die Ruine der Kirche im Februar 1953 gesprengt. Allein der Glockenturm blieb erhalten.

Die neue Rochuskirche

Für den Neubau der Kirche ist das Konzept der Dreipassform bestimmend: ein Zentralbau mit drei Konchen und darauf sitzend die drei Schalen der Kuppel, die in ihrem Gesamtbild eine Eiform darstellen (Abb.1). Nach Süden bildet ein tetragonaler, niedriger Vorbau mit Taufstein das Eingangsportal zum Kirchenraum. Von außen ist der dreipassförmige Unterbau mit rautenförmigen Ziegeln bedeckt, die durch ein komplett umlaufendes Wellenband durchbrochen werden.

In seiner Dreipassform folgt der Bau einem rhythmischen Wechsel von Ausbuchtung und Einschnürung. Auch in der leicht auf- und abgleitenden Höhe des Daches am Unterbau ist dieser Wechsel aufgegriffen. Ein mit Netzornamentik gestaltetes Fensterband, das den Unterbau direkt unterhalb des Daches umläuft, dient als Lichtquelle von außen.

Die 28 Meter hohe Kuppel des Neubaus besteht aus drei parabelförmig gebogenen Betonschalen, die außen mit Kupferplatten verkleidet sind und im Inneren auf zwölf Säulen ruhen. An ihren Nahtstellen verbinden mit Rundgläsern bestückte, vertikale Betonrippen die Schalen. Durch die Rundgläser erhellt Sonnenlicht den Kuppelraum. In der Anordnung der drei Kuppelschalen wird der rhythmischen Wechsel von Ausbuchtung und Einschnürung des Unterbaus wieder aufgegriffen, der die Raumzonen auf diese Weise harmonisch miteinander in Beziehung setzt.

Die Auswahl der Architekturformen am Neubau der Rochuskirche folgt einem symbolischen Konzept. Es macht den Kirchenraum zu einem theologischen Bedeutungsträger, der das religiöse Verständnis von Symbolformen in seiner Architektur anschaulich werden lässt: Die Grundform des Dreipasses als bestimmendes Formelement des Gesamtbaus trägt den Verweis auf die Dreifaltigkeit Gottes. Die zwölf Säulen der Kuppelstütze bilden symbolisch die zwölf Apostel ab, die als Fundament des christlichen Glaubens gelten. Die Kuppel in Eiform verweist auf die Bedeutung des Eies in der christlichen Kirche. Es wurde schon im Mittelalter als Zeichen der Auferstehung Christi und des Beginns von neuem Leben verstanden.

Als Kuppelbau mit symbolischer Wirkung ist die Dreifaltigkeitskirche Kappl in der Oberpfalz, erbaut nach 1684 durch Georg Dietzenhofer, der Rochuskirche architektonisch verwandt. Auch bei diesem Bau findet sich die Dreipassform des Grundrisses mit sinnbildlichem Bezug. Die Gewölbeschalen der Kuppel sind dort aber zu einem sphärischen Dreieck zusammengeführt.

Der Innenraum der Rochuskirche

Im Inneren der Kirche bildet der dreipassförmige Unterbau einen flachen Umgang um die Kuppel. Unterhalb der nördlichen Kuppelschale ist der Altarbereich eingerichtet (Abb. 2). Pfarrer Dohr übertrug die erste Ausgestaltung dem deutschen Bildhauer Ewald Mataré. Von ihm stammen die über dem Altar hängende Christusfigur, das marmorne Taufbecken im Eingangsbereich sowie die Kreuzwegstationen, die als Hinterglasbilder an den Innenwänden des Unterbaus befestigt sind. Christusfigur und Kreuzwegstationen fertigte Mataré ursprünglich für die Krankenhauskirche in Köln-Hohenlind an. Dort als zu fortschrittlich empfunden, wurden sie nach Düsseldorf gegeben. Als stark abstrahierter Körper in weißer Farbe und mit Wundmalen, goldener Krone und ausgestreckten Armen vereint die Christusfigur in moderner Ausgestaltung den Gekreuzigten und den Auferstandenen in einem Bild. Auch die künstlerische Umsetzung der Kreuzwegstationen bedient sich moderner Darstellungsform: Sie zeigt Christus in zerbrechlicher Gestalt und seine Widersacher als grotesk verzerrte Figuren mit starker Gestik und Mimik. In einer Reduktion des Darstellungsraums erscheinen die Figuren dabei wie schwebend (Abb. 3).

Mit der Holzstatue des heiligen Franziskus im Umgang und der Madonnenfigur auf einer reliefierten Säule beherbergt der Neubau auch Ausstattungselemente der alten Rochuskirche.

Das Konzept von Alt und Neu

Als einziger katholischer Kirchenbau im Stadtdezernat Düsseldorf ist die heutige Pfarrkirche St. Rochus nach einem Konzept umgesetzt worden, welches einen komplett erhaltenen Teil des ursprünglichen Kirchenbaus mit einem Neubau moderner Nachkriegsarchitektur kombiniert (Abb. 4).

In der Bevölkerung als Halleluja-Gasometer verspottet, verweist die Kirchenanlage gerade in ihrem Kontrast von Alt- und Neubau auf die lange Tradition der Rochusverehrung im Wandel der Zeiten. Der Zentralbau der modernen Rochuskirche ist architektonisch nicht mit dem alten Glockenturm verbunden. Dennoch ist ein Bezug beider Kirchenteile zueinander gegeben: Das nach Süden vorgebaute Eingangsportal des Neubaus steht dem Nordportal des Turmes direkt gegenüber. Auf der platzartigen Freifläche zwischen den Eingängen markieren eiserne Stehlen die Positionen der Pfeiler in der alten Rochuskirche und geben damit einen Weg vor, der direkt vom einen Bau zum anderen führt (Abb. 5).

Hinter dem Eingangsportal im Erdgeschoss des alten Kirchenturmes befindet sich ein quadratisch angelegter Kapellenraum mit Kreuzgratgewölbe. In einer flachen Rundbogennische an der südlichen Stirnseite hängt das Bild des hl. Rochus, das Bernhard Budde 1881 als Altarbild für die Rochuskapelle malte. Der Kapellenraum soll an die am Ort praktizierte Verehrung des Pestpatrons erinnern und diese jahrhundertealte Tradition fortsetzen. Die gesamte Kirchenanlage ist seit 1988 denkmalgeschützt.

 

Literatur und Quellen

Manfred Becker-Huberti (Hg.): Düsseldorfer Kirchen. Die katholischen Kirchen im Stadtdekanat Düsseldorf. Köln 2009.

Architekten- und Ingenieurverein Düsseldorf (Hg.): Düsseldorf und seine Bauten. Düsseldorf 1990. Roland Kanz und Jürgen Wiener (Hg.): Architekturführer Düsseldorf. Berlin 2001.

Katholische Kirchengemeinde St. Rochus (Hg.): St. Rochus in Düsseldorf. Düsseldorf 2005.

Werner Roemer: Kirche Sankt Rochus. Im Internet unter: http://www.kirche-in-derendorf.de/sankt-rochus.html, gesehen am 24.5.2013.