Gesundheitshaus Dortmund
Text: Alexandra Klei
Fotografien: Alexandra Klei und Annika Wienert
Das zwischen 1957 und 1961 errichtete Gebäude hieß ursprünglich Haus des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Es setzt sich aus drei, zum Teil gestaffelten Trakten auf dem unregelmäßig geschnittenen Grundstück Hövelstraße - Kuhstraße - Eisenmarkt zusammen. Sie bilden einen Innenhof, der ursprünglich als Garten angelegt war, heute aber als Parkplatz dient. Das Gesundheitshaus schließt an zwei Gebäude der ursprünglichen Bebauung an und nimmt ihre Bauflucht und Höhenlinien auf. Nach Süden öffnet es sich und gibt so dann die historische Blockrandstruktur auf; seine Höhenentwicklung folgt dem Geländeanstieg des Terrains. Insgesamt präsentiert sich der Neubau als "'angebundener Solitär'" (zitiert nach: Hnilica u.a. 2009, S. 27) und damit als Bindeglied zwischen der 1945 zu 93% zerstörten alten Innenstadt und der Stadt des Wiederaufbaus.
Baugeschichte
Bereits 1901 existierte in Dortmund ein Amt für Gesundheitsfürsorge, das 1927 in Gesundheitsamt umbenannt wurde. Nach 1945 waren seine Abteilungen notdürftig an unterschiedlichen Standorten untergebracht. Der Grad der Stadtzerstörung und der rasante Bevölkerungszuwachs führten zu hygienischen Problemen und einem gestiegenen medizinischen Bedarf; 1953 plädierte daher der Medizinalrat Dr. Gerhard Olivier öffentlich für einen Behördenneubau. Das Gelände an der Hövelstraße garantierte sowohl die nötige Fläche als auch eine gute Erreichbarkeit; im April 1954 legte der Architekt Will Schwarz die Pläne vor.
Gebaut wurden in zwei Abschnitten: Das siebengeschossige Hauptgebäude und der nördlich angrenzende Nebentrakt wurden 1957/58 fertiggestellt (Abb. 1). Sie beherbergten Verwaltungs- und Untersuchungsräume, die Tuberkuloseberatung, die Schulzahnklinik und die Kreisärztliche Dienststelle. Der an der Kuhstraße gelegene Riegel nahm in fünf Geschossen die chemische Untersuchungsanstalt, das Hygieneinstitut und eine Mütter- und Sportberatung auf (Abb. 2). Den nördlichen Abschluss bildeten die Ausbildungsräume für medizinisch-technische Assistenten, im ergänzenden Gebäudeteil am Eisenmarkt gab es Diensträume und Personalwohnungen. Diese Teile wurden 1959 bis 1961 gebaut.
Baubeschreibung
Die zentralen Themen des Gebäudes sind Gesundheit, Helligkeit und die Beziehung von Architektur, Kunst und Nutzerfreundlichkeit.
Das Stützenraster der Stahlbetonskelettkonstruktion ist mit vorgefertigten Brüstungselementen aus dreiteiligen Fenstern mit schmalen Profilen und Betonplatten, die mit blau chargierenden Glasplättchen in der Größe 15 x 15 Millimetern belegt sind, verkleidet (Abb. 3). Das Verfahren zu ihrer Herstellung war speziell für dieses Gebäude entwickelt worden. Die Materialwahl wurde ästhetisch und praktisch begründet; das Glasmosaik war abwaschbar und galt daher als hygienisch. Die übrigen Wandflächen verblendete man mit farbigen Klinkerriemchen (Abb. 4). Die Stirnwand des Hochhauses ist als eigenständiger Gebäudeteil für die Fluchttreppe an der Kuhstraße ausgebildet, mit farbig glasierten Spaltklinkerriemchen verkleidet und mit Betonglassteinen durchsetzt. Gemeinsam mit dem abschließenden geschwungenen Dach bilden beide Bauteile eine Klammer. Auf den Haupteingang an der Hövelstrasse verweist ein auskragendes Vordach aus acht Betonhalbschalen (Abb. 5). Ihm schließt sich ein helles Foyer an, das die Schnittstelle zu den einzelnen Trakten darstellt. Publikumsintensive Bereiche wurden erdgeschossnah angeordnet.
Vertikal wird das Gebäude durch das Hauptfoyer erschlossen. Hier befinden sich ein Fahrstuhl (ehemals ein Paternoster), eine kleine Treppe ins 1. Obergeschoss und die zentrale, sich wie eine Skulptur nach oben windende Haupttreppe (Abb. 6). Die an sie grenzende Gebäudeecke ist mit zum Teil farbigen Glasbausteinen aufgelöst. Runde, frei verteilte Deckenleuchten erhellen das Treppenhaus. Ein farbiger Terrazzoboden mit freien organischen Formen nimmt Bezug auf die Architektur (Abb. 7). Es gibt sechs weitere, unterschiedlich gestaltete Treppen im Haus. Die Planungen bezogen alle Details bis hin zu den Türklinken ein (Abb. 8). Eine Kantine wurde in der obersten Etage des Hauptgebäudes untergebracht; sie verfügte zudem über einen Zugang zur Dachterrasse, die von dem geschwungenen Flachdach bekrönt wird (Abb. 9).
Am Bau waren mehrere Künstler beteiligt, die ihre Beiträge explizit für das Gebäude und zum Thema Gesundheit geschaffen haben. Sechs Kunstwerke befinden sich im großen Treppenhaus und begleiten so den Aufgang (Abb. 10).
Die Innenräume sind nach einem komplexen System gestaltet, welches die Orientierung der Besucher/innen vereinfachen soll. So werden unter anderem die Klinkerfarben in den Büroseiten in den Stockwerken nach oben dunkler und die Farben der Türen sollen auf die dahinterliegenden Funktionen verweisen (Abb. 11). Glastüren in grauen Stahlrahmen wurden zum Beispiel für Durchgänge zwischen Abteilungen verwendet. Heute schleicht sich der Verdacht ein, dass das Konzept nicht in jedem Detail nachvollziehbar ist und die vielen Farben auch verwirrend und überbordend wirken können.
Der Architekt
Will Schwarz (1907-1992) studierte zwischen 1929-1932 freie Grafik an der Vereinigten Staatsschule für Freie und Angewandte Kunst Berlin und verließ diese ohne Abschluss. Trotzdem arbeitete er in den 1930iger Jahren und ab 1946 als freier Architekt. 1939 wurde er zum Militärdienst einbezogen und war unter anderem am Aufbau des Flughafens Münster/Osnabrück beteiligt. Anschließend brachte sich Schwarz umfangreich in die Debatten um den Wiederaufbau ein; er stand für eine auf Partizipation und Transparenz abzielende Planungskultur. So organisierte er zwischen 1953 und 1962 vier "Dortmunder Gespräche" zur öffentlichen Diskussion um Fragen der Architektur und Stadtplanung.
Heutige und perspektivische Situation
Das Gebäude kann als exemplarisch für die optimistische Perspektive und den beginnenden Aufschwung der 1950er Jahre gelten. 1993 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Derzeit dient es vor allem der Verwaltung des Gesundheitsamtes, aber zahlreiche Zimmer und zum Beispiel die Laborbereiche im 4. Obergeschoss stehen leer. Auch die Kantine existiert nicht mehr, die Räume wurden zu Büros umgebaut. Perspektivisch ist für die Mitarbeiter/innen ein Neubau geplant, die langfristige Zukunft des Gebäudes damit ungesichert.
Literatur
Sonja Hnilica, Markus Jager, Wolfgang Sonne: Gesundheitshaus Dortmund - 50 Jahre Architektur und Kunst Dortmund. Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Architektur, TU Dortmund. Dortmund 2009.
Markus Jager: Erlebnis Kunst. Gesundheitshaus, Dortmund, 1953-1961 von Will Schwarz. In: Sonja Hnilica, Markus Jager, Wolfgang Sonne: Auf den zweiten Blick. Architektur der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen. Bielefeld 2010, S. 171-178.
Andrea Mesecke: Gesundheitshaus Dortmund. In: M:AI (Hg.): Nordrhein-Westfalen. 60 Jahre Architektur und Ingenieurkunst. Essen 2006, S. 94f.
o.A.: Gesundheitshaus Dortmund. In: Bund Deutscher Architekten, Bezirksgruppe Ruhrgebiet (Hg.): Das Ruhrgebiet. Architektur nach 1945. Essen 1996, S. 74f.