Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg
Text und Fotografien: Rafael Detzner
Das im Stadtzentrum von Duisburg gelegene Wilhelm Lehmbruck Museum ist ein Museum für internationale Skulpturen der Moderne, mit einem besonderen Augenmerk auf Plastiken und Malerei des deutschen Expressionismus. Es befindet sich am Kantpark auf einer Fläche von 10 Hektar. Die Sammlungsfläche im Inneren des Museums beträgt 5150 Quadratmeter, davon stehen dem Wechselausstellungsraum 750 Quadratmeter zur Verfügung.
Konzipiert wurde das Museum mit seiner herausragenden Architektur der Nachkriegsmoderne von dem deutschen und im Jahre 1942 über Museumsbau promovierten Architekten Manfred Lehmbruck (1913-1992). Insbesondere den Lehmbruck-Trakt entwarf er für das skulpturale und malerische Lebenswerk seines Vaters Wilhelm Lehmbruck (1881-1919), einen der bedeutendsten deutschen Bildhauer und Grafiker. Bemerkenswert ist dabei insgesamt die Idee Manfred Lehmbrucks, sich in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland - das alle modernen Tendenzen unterdrückte - mit den Problemen des zeitgenössischen Museumbaus auseinanderzusetzen.
Geschichte des Lehmbruck Museums
Aus einem 1905 initiierten Bürgeraufruf zur Gründung eines Kunstvereins entstand der Duisburger Museumsverein, für den der Kunsthistoriker August Hoff als Gründungsdirektor das 1924 konstituierte Kunstmuseum auf der Basis einer Lehmbruck Sammlung entwickelte.
Das städtische Kunstmuseum befand sich in unmittelbarer Nähe zum Grundstück des heutigen Museums und umfasste neben den Werken Lehmbrucks, die eine überregionale Anziehungskraft erreichten, Gemälde und grafische Arbeiten deutscher Künstler des 20. Jahrhunderts. Die Lehmbruck Sammlung stammte in wesentlichen Teilen aus dem Nachlass der Witwe des Bildhauers, Anita Lehmbruck.
Ab den 1920er Jahren entfaltete sich im Kunstmuseum eine systematische und programmatische Ausstellungstätigkeit, die bis zu den 1950er Jahren eine Sammlung zur Geschichte der Skulptur im 20. Jahrhundert hervorbrachte, die internationalen Rang erlangte.
Nach dem Abbruch des städtischen Kunstmuseums Anfang der 1950er Jahre wurden die Sammlungen in den beengten Räumlichkeiten des Hauses Mühlheimer Straße 39 (heute Haus Königsberg) aufgenommen. Um der internationalen Skulpturensammlung, sowie den Sammlungen der Grafiken und Malereien einen sachgerechten und -bezogenen Versammlungsort zu bieten, wurde 1959 vom Kulturausschuss und Rat der Stadt entschieden, einen Neubau im Zentrum der Stadt zu errichten. 1964 eröffnete schließlich das heute existierende und von Manfred Lehmbruck entworfene Wilhelm Lehmbruck Museum. 1987 realisierte er gemeinsam mit dem Dortmunder Architekten Klaus Hänsch einen Erweiterungsbau.
Konzeption von Glashalle und Lehmbruck-Trakt
Als antipodische Lösung entstanden 1964 nach fünfjähriger Bauzeit eine Glashalle und der Lehmbruck-Trakt. Ein leicht hochgesetzter und verglaster Eingangspavillon, der über eine Treppe aus breiten Steinplatten den Zugang zum Eingang bereitet, stellt zu seiner linken und rechten Seite und ebenfalls verglast, jeweils über einen kurzen Flur die Verbindung beider Bauwerke her (Abb. 1: Blick aus dem Skulpturenhof auf den Eingangspavillon. 16.5.2012).
Lehmbruck-Trakt
Zur Linken des Eingangs schließt sich der Lehmbruck-Trakt an (Abb. 2: Blick aus dem Skulpturenhof auf den Lehmbruck-Trakt und die Glashalle. 16.5.2012). Blickt der Besucher auf den Eingang, so erstreckt sich der Trakt neben dem Eingangspavillon in Richtung des Betrachters. Der Stahlbetonbau mit quadratischem Grundriss ist in den Erdboden eingelassen. Die Eingrabung des Raumvolumens vermindert visuell daher die wahre Größe des Baukörpers. Zudem bewahrt der Trakt seinen optischen Zusammenhang zu seiner Grundfläche, wie auch zu der Höhe des Eingangspavillons. Um ein offenes zentrales Atrium (Abb. 3: 16.5.2012), das als Quadrat gestaltet ist, werden Binnenräume an der Nord- und Südseite von jeweils zwei gegeneinander versetzten und gewölbten Sichtbetonschalen begrenzt. Die Außenwände der West- und Ostseite hingegen sind höher und tragen das Dach, wodurch oberhalb der Sichtbetonschalen ein Oberlichtfensterband freigelegt wird, das den Eindruck eines schwebenden Daches entstehen lässt. Der Innenraum erstreckt sich auf mehreren Galerieebenen mit langen Treppenläufen (Abb. 4: Blick auf die Ostseite. 16.5.2012). Die Versetzung um Halbgeschosse lässt die Räume nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Richtung ineinander fließen. Dadurch entstehen Durchblicke in weiterführende Ebenen, die zur Fortsetzung des Rundgangs anregen und dem Besucher eine Orientierung für ein kontinuierliches Erleben in freier Entscheidung bieten (Abb. 5: Blick auf die Westseite. 16.5.2012). Als Teil des besonderen Konzepts ermöglichen die Wechsel der Höhen und Proportionen eine Betrachtung mit Auf- und Untersichten auf Plastiken und Skulpturen. Sowohl die Außen- als auch die Innenwände des Lehmbruck-Traktes sind aus unverputztem Sichtbeton (Abb. 6: Nordseite. 16.5.2012), lediglich die Wände der untersten Ebene - im Inneren des Gebäudes - sind mit weißem Kiesel verblendet.
Sämtliche Details der innenarchitektonischen Einrichtung wurden vom Architekten selbst sorgsam gestaltet, so etwa auch die Laufwege, die mit Steinbetonbodenplatten ausgelegt sind, oder der Sandboden, der die unterste Ebene bedeckt. Diese bewusst abgestimmten Materialwechsel gliedern die ineinanderlaufenden, offenen Ebenen und strukturieren sie hinsichtlich ihrer räumlichen Abgrenzungen zu einander.
Glashalle
Zur Rechten des Eingangs schließt sich die Glashalle an (Abb. 7: Glashalle und Haupteingang. 16.5.2012). Blickt der Besucher auf den Eingang, so erstreckt sie sich neben dem Eingangspavillon von ihm weg.
Die große Glashalle mit rechteckigem Grundriss ist eine Stahlkonstruktion mit außenstehenden Stützen, die in Querrichtung des Gebäudes entwickelt sind. Sie verfügt über ein - zum damaligen Zeitpunkt erstmals eingesetztes - flexibles Stellwandsystem an der Decke und kann so für unterschiedlichste Zwecke genutzt werden.
Betritt man die Halle, so blickt man frontal auf eine mit weißem Kieselstein verkleidete Trennwand, die etwa ab der Hälfte der Gebäudebreite einsetzt und die den Baukörper in seiner Gesamtlänge zu einem Sechstel Bereich rechts und den restlichen Fünfsechstel Bereich links unterteilt. Zur rechten der Trennwand führt eine Treppe zum Untergeschoss, in dem sich ein Kindermuseum, die Garderobe und die Verwaltung befinden. Zur linken der Trennwand führt eine Treppe nach oben zu einer schmalen Galerieebene, die parallel zur hinteren und nicht verglasten Fassade verläuft (Abb. 8: Blick aus der Glashalle in Richtung Haupteingang. 16.5.2012). Der Blick von der schmalen Galerieebene ist in die Halle hinein geöffnet. Hier befinden sich die Sammlungen für Malereien, Grafiken und Skulpturen des 20. Jahrhunderts; zudem ist sie auch für Wechselausstellungen konzipiert. Durch die dreiseitige Verglasung zum Skulpturenhof hin verfügt die Halle über ein Höchstmaß an natürlichem Seitenlicht und schafft mit ihrer Transparenz eine kommunikative Öffnung. Die Böden sind mit Kunststeinplatten bläulicher Färbungen bedeckt und die Wände unterhalb der Galerieebene sind mit rotem Ziegelstein verkleidet.
Der Verschiedenheit der musealen Gruppierungen trägt die Architektur Rechnung: ein fixierter Baukörper für die Darbietung des Lehmbruck-Werkes und flexible Vielgestaltigkeit für die internationale Skulpturensammlung in der Glashalle. Dieser Wechsel von ruhigen und dynamischen Elementen nimmt Bezug auf die Polarität beider Ausstellungsbereiche und verdeutlicht die Konzeption bezüglich ihrer unterschiedlichen inhaltlichen Programme.
Konzeption des Erweiterungsbaus
Die ständig wachsenden Sammlungen und innermusealen Bedürfnisse verlangten eine Erweiterung. In der zweiten Bauphase von 1983 entstanden dann drei verschieden große und in diagonaler Stellung miteinander verzahnte Kuben, die 1987 eröffnet werden konnten. Als Gebäudeensemble fassen sie zusammen mit den ersten beiden Bauwerken nun den Skulpturenhof ein.
An der gegenüberliegenden Breitseite vom Eingang der Glashalle knüpft ein verglastes Brückengebäude an, das die Verbindung zum Erweiterungsbau erschließt (Abb. 9: Blick von der Glashalle in Richtung des Erweiterungsbaus. 16.5.2012). Nimmt man dieses Brückengebäude und den verglaste Eingangspavillon im Gesamtblick des Museums auf, so lässt sich eine Rhythmisierung aufgrund von Materialität feststellen. Das erste und das mittlere der drei verzahnten Gebäude, das in Verbindung mit dem Brückengebäude steht, besitzt eine Erschließungs- sowie eine Verteilfunktion. Das Erschließungsgebäude wird zu seiner linken und rechten Seite von je einem direkt angeschlossenen - verzahnten - Ausstellungsgebäude flankiert. Seine beiden Außenwände zum Skulpturenhof sind verglast. Das zur rechten Seite angrenzende Ausstellungsgebäude ist die Wechselausstellungshalle mit schmalen Fenstern in den rechten Winkeln der Außenwände. Unter diesem Gebäude befinden sich ein Vortragssaal, Verwaltungsräume und eine kleine Bibliothek. Das zur linken Seite anschließende Ausstellungsgebäude weist eine windmühlenflügelartige Struktur im Inneren auf. Vier Galerieflügel gruppieren sich um einen zentralen zweigeschossigen Luftraum, der über ein pyramidenförmiges Laternenfenster von oben beleuchtet wird. In diesem Gebäude ist die Sammlung zeitgenössischer Skulptur beherbergt. Die drei Kuben sind Außen mit Porenbetonstein verkleidet.
Die Architektur des Erweiterungsbaus bricht durch seine in Zickzack aneinandergereihte Kubatur die rechtwinklig zueinander stehende Geometrie des Lageplans der ersten beiden Bauwerke auf. Die verzahnten Winkel der Ausstellungsgebäude fangen einerseits den Skulpturenhof auf und anderseits den Kantpark ein.
Literatur
Christoph Brockhaus (Hg.): Wilhelm Lehmbruck Museum. Zentrum internationaler Skulptur. München/London/New York 2000.
Christoph Brockhaus (Hg.): Stadtbild Duisburg. Identität, Wandel und Vision. Duisburg 1999.
Siegfried Salzmann: Das Wilhelm-Lehmbruck-Museum Duisburg. Recklinghausen 1981.
Lehmbruck Museum (Hg.): Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg. Duisburg 1964.
Die Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum - Zentrum Internationaler Skulptur im Internet unter: http://www.duisburg.de/micro2/lehmbruck/museum/geschichte/geschichte.php, gesehen am 5.7.2012.